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Reichhaltig, vielfältig, lehrreich und freudvoll, entspannend und tief berührend …

Das war das Shakespeare Retreat am Mondsee vom 19. bis 23. August 2019.

Götter beschirmt Bastarde. Sie spricht lauter Dolche, und jedes Wort durchbohrt. Wenn ihr Atem so fürchterlich wäre als ihre Ausdrücke, so könnte niemand in ihrer Nähe leben, sie würde alles bis an den Nordpol vergiften. Der Lenz, der Sommer,
 der zeitigende Herbst, der zornge Winter, sie alle tauschen die gewohnte Tracht, und die erstaunte Welt erkennt nicht mehr, an ihrer Frucht und Art, wer jeder ist. Allein mich dünkt, es ist der Männer Schuld, Daß Weiber fallen. O Schmach! o Höll! ich seh, ihr alle seid zu eurer Lust zu plagen mich bereit.

Noch Wochen später schwirren in mir verschiedene Zitate aus den Monologen und Dialogen, ich sehe und vor allem höre die Teilnehmenden, wie sie sprachen und spielten. Und lache auf in der Erinnerung oder werde still, ob der Tiefe der Worte und Hingabe der Sprechenden. Es hat mich sehr beeindruckend und schwingt in mir immer noch nach, wie alle Teilnehmenden innerhalb von 5 Tagen ihr Alltagsselbst hinter sich gelassen haben und in die Worte und Gedanken ihrer Shakespeare – Texte hineingeschlüpft sind, wie sie sich in ‚Textgestalten’ verwandelt haben, wie alle sich nicht gescheut haben, tiefer zu gehen. Auch wenn es bedeutete, die eigene Komfortzone weit zu verlassen und sich Erkenntnissen zu stellen, die ihr Text und ihre Rolle bei ihnen hervorrufen…

Begehre nicht, aus diesem Hain zu fliehn; Du mußt hier, willig oder nicht, verziehn, Ich gebe Elfen zur Bedienung dir

… und nicht zu vergessen, wie sich alle gegenseitig unterstützt haben, ob als Esel für Titania oder als ungestüme junge Männer für Hermia oder Liebesseufzender im Wald für Rosalinde oder als Desdemona für Emilia. Alle waren sich ein Gegenüber und noch viel mehr.

Fünf Tage haben wir uns der Welt, in der William Shakespeare gelebt hat, über seine Worte angenähert und immer wieder festgestellt, wie sie uns immer noch berühren, selbst durch die Übersetzung hindurch in eine andere Sprache. Als Erstes war die Wahrnehmung des eigenen Atems, dann Seufzer der Erleichterung und pure Seufzer der Erleichterung und ein Aufatmen in der Natur rund um das Kulturgut.

Ich habe das Gefühl, ich habe viel mehr Atem zu Verfügung – für mich und für die Andere.

Dann begann für manche schon der Prozess, die eigene Komfortzone zu verlassen, um sich dem Aufweichen der eigenen Atem-Muster und der Erneuerung des Atems zu widmen und damit sich ganz dem Atem der Shakespeare Gestalt zur Verfügung stellen zu können:

Der ist ja gar nicht mehr da, um zu kontrollieren, was ich sage“ – „Ich habe mir noch nie Gedanken gemacht, was meine Zunge macht, und dabei ist sie so eine Künstlerin.

Der nächste, tägliche Schritt war das Befreien von Blockaden für die freie Stimme mit Linklater Übungen, u.a. das Entspannen und Lockern der Kiefermuskulatur, der Zunge und das Bewundern der artistischen Fähigkeiten der Zunge, und immer wieder: das Freilassen der Stimme in die Höhen des Raum aus den Resonanzräumen.

Nach diesen morgendlichen Warm-Ups fing die Reise an, erste Station: das Innere der Worte, die Laute zu erforschen und zu bemerken, wie unterschiedlich die verschiedenen Laute berühren und bewegen, das Wunder, wenn die Laute ein Wort ergeben und auf welch verschiedene Ebenen ein Wort erlebt werden kann und damit unmittelbar verlautbart wird, wie schon in den Begegnungen mit anderen anhand von drei Worten eine Unterhaltung entstehen kann.

Katharina. Die Esel sind zum Tragen, so auch Ihr. Petruchio. Die Weiber sind zum Tragen, so auch Ihr.

Was passiert, wenn die Worte sich zu längeren Gedanken verbinden und zu Sätze werden? Jeden Tag entdecken alle überraschend Neues und verlassen gewohnte Sprechgefilde. Immer tiefer steigen wir in die Welt von Shakespeare ein, bis wir uns draußen im Garten auf einer grünen Wiese im 15. Jahrhundert imaginierten und uns durch die verschiedenen Welten der ‚Chain of Being’ durchklingen, von der Hölle über die verschiedenen Tier-, Pflanzen-, Feenwelten bis zum Himmel und wieder zurück in die Mitte, ins Menschsein.

Wie wir dann alle die Augen öffneten, war die Welt unglaublich laut in ihren modernen Geräuschen für die einen, andere haben plötzlich mit frischen Augen die Welt um sich herum gesehen, farbiger, bunter, detailreicher … Mit diesen Eindrücken waren die Textgestalten wieder anders. Und so ging es Schritt für Schritt, immer in Bewegung, sogar bis tief in den Abend … ab einer gewissen Stunde in Begleitung von Fluchtachterln …

Die ganze Welt ist Bühne Und alle Frau’n und Männer bloße Spieler

Am Freitag kamen dann die Textgestalten ins Licht, es war Performance Time ohne das ‚schau-gespielt’ worden ist, sondern alle haben sich der Wirkung der Worte überlassen, sind davon berührt worden, und damit waren wiederum die Zuhörenden berührt – der magische Kreislauf des Theater war präsent. Was immer jemand zu sagen hatte in ihrer Komik, Tragik, Weisheit, Lustigkeit, was auch immer, es war eindringlich – und alle waren verwandelt.

Ich weiß zwar nicht, wie es dazu gekommen ist, aber es wirkt, ich bin verändert.

Es fiel schwer, aus dieser Welt wieder hinauszukommen in die Realität, ein Aprikosenfleck mit Schlagobers und Blick auf den Mondsee half für den Übergang.

Theatralen Dank an alle, die dieses Shakespeare – Retreat der Schule des Theaters in Kooperation mit SteinStimmeBlau gelingen haben lassen durch ihr sich Einlassen, ihre Neugier, Sinnlichkeit, Humor, Ideen, Forschergeist, und vor allem Loslassen von Konzepten, um sich der Freiheit zu überlassen alles auszuprobieren, und natürlich auch an Kristin Linklater for „Freeing Shakespeare’s Voice“.

Vielen Dank an Florian Kappner für die Bilder und natürlich für seine Präsenz.

Franziska Steinhart

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